Im ersten Halbjahr 2011 fanden drei Veranstaltungen zum
60-jährigen Bestehen der Freien Wähler statt: im Januar die
Gedenkfeier für ihre Gründungsmitglieder, im Mai eine Fahrt zum
Hambacher Schloss, dem Erinnerungsort für Freiheit, Bürgerrechte und
deutsche Einheit, und im Juni nun der abschließende Höhepunkt: Bei
bester Laune und bestem Wetter feierten rund 80 Mitglieder, Freunde
und Gäste in der Museumsscheuer sechs Jahrzehnte erfolgreicher
Kommunalpolitik.
Schon der äußere Rahmen erfreute Augen und Herz: Viele engagierte
Helfer der Freien Wähler gestalte¬ten eine ästhetisch-anspruchsvolle
Ausstattung der Museumsscheuer, insbesondere das Buffet mit vielen
ausgefallenen Leckereien und selbstgefertigten kulinarischen Genüssen
aus den Reihen der Mitgliedschaft traf auf großen Beifall. FW-Mitglied
und Hobby-Winzer Gerhard Olbert stiftete wohlschmeckenden Sekt und
Wein. Anton Burkhart spendete 60 Jubiläums-Fläschchen selbst
produzierten leckeren Weinbrands. Rainer Loos präsentierte Dossenheims
Ortsbild in historischen Bildern von 1887 bis zu aktuellen
Luftaufnahmen 2011 (neun davon können bei den Freien Wählern erworben
werden).
Die Feier wurde musikalisch mit viel Swing und tollem Sound begleitet
von Wolfram Schmidt (Flügel) und Volker Haas (Gesang), beide bekannt
durch ihr Engagement bei Cantus Vivus bzw. Strada Montana Big Band.
Sie verliehen der 60-Jahr-Feier eine herrliche Frische und Lockerheit.
Nach der Begrüßung durch Cornelia Wesch, Erste Vorsitzende der Freien
Wähler Dossenheim (“Freie Wähler sind nicht an Parteitagsbeschlüsse
und Programme gebunden, sie sind keine Partei, aber eine starke
politische Kraft in Dossenheim und im Land”) und den freundlichen
Grußworten von Bürgermeister Hans Lorenz (“Die Freien Wähler waren und
sind ein wesentlicher Faktor der Kommunalpolitik”) trug Sieglinde
Dittmar-Loos gekonnt das Gedicht “Der Freie Wähler – Eine
Außenansicht” vor, ein launischer gereimter ironischer Gruß eines
anonymen Dossenheimer Dichters.
Es folgten die Grußworte von Dorle Terboven, Vorsitzende des
FW-Kreisverbandes Rhein-Neckar e.V., die einen kurzweiligen Bogen
schlug vom Reichstagswahlgesetz aus dem Jahre 1869 bis hin zur
heutigen Arbeit der Freien Wähler in den Kommunen. Bürgermeister
Jürgen Schmitt, Plankstadt, ebenso Stellvertretender
Landesvorsitzender der Freien Wähler, bezeichnete die Freien Wähler
als “Individualisten”, die vor Ort als Persönlichkeiten wahrgenommen
werden, die allein nach örtlichen Gesichtspunkten urteilen und deshalb
in Baden-Württemberg eine hervorragende Rolle in den
Kommunalparlamenten spielen.
Mit Witz, sprachlicher Eleganz und vielen Kindheitserinnerungen an
Dossenheim erfreute Ijoma Mangold mit seinem Festvortrag schließlich
die Zuhörerschaft. Cornelia Wesch stellte den überraschungsgast mit
folgenden Worten vor: “Herr Mangold wurde 1971 in Heidelberg geboren
und ist in Dossenheim aufgewachsen. Nach seinem Abitur absolvierte er
1993 ein Praktikum im RNZ Feuilleton und danach war er mehrmals Autor
der RNZ. Er studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in München
und Bologna. 2007 erhielt er den Berliner Preis der Literaturkritik,
2009 hatte er eine Gastprofessur für Literaturkritik am Seminar für
deutsche Philologie an der Universität Göttingen. Seine
journalistische Karriere begann er als Redakteur bei der ‘Berliner
Zeitung’. 2001 holte ihn die ‘Süddeutsche Zeitung’ nach München ins
Literatur-Ressort. Im Frühjahr 2009 kam er zu der ZEIT, derzeit ist er
stellvertretender Chef des Ressorts Feuilleton/Literatur. Einige
unserer Gäste kennen ihn sicherlich aus der ZDF-Sendung ‘Die
Vorleser’, die er gemeinsam mit Amelie Fried moderierte.”
Ijoma Mangold, der in unserem Ort bis heute viele Freunde und Bekannte
hat, begann seinen Vortrag mit dem Bürgermeisterwahlkampf 1979: Die
ära von Heinrich Schumacher ging zu Ende, es entbrannte ein Kampf
zwischen dem CDU- und dem SPD-Kandidaten, den Peter Denger schließlich
gewann. Die Wahrnehmung dieser Wahl durch den damals etwa neunjährigen
Buben nutzte Mangold geschickt für seine Thesen: Er wollte “dazu
gehören, nicht ausgeschlossen sein”, wechselte mehrmals seinen
Favoriten, suchte nach Begründungen für seine “poltische Haltungen” –
es war einfach köstlich, wie der Festredner dies nutzte, um vom
Konkreten zum Allgemeinen zu gelangen: Das kommunalpoltische Geschehen
folgt zwingend anderen Merkmalen als Bundes- und Landtagswahlen, die
Wähler orientieren sich dementsprechend lokal am “konkret
praktizierten Vertrauen”, nicht an Ideologien. Schmunzelnd vernahm man
aus einem Munde, dass Dossenheim politisches Leben hervorragend dem
antiken griechischen Stadtstaat “polis” entspreche: Die typische Polis
war eine Bürgergemeinde bzw. ein Personenverband und definierte sich
nicht primär über ihr Territorium, sondern über ihre Mitglieder. Das
Publikum dankte mit viel Beifall.
Rainer Loos stellte sodann die rund 100 Seiten starke Festschrift vor,
die mit 100 Abbildungen ein lebendiges Bild des Ortsgeschehens von
1951 bis 2011 zeichnet. Erstellt wurde sie von Rosemarie Blaas,
Cornelia Wesch, Friedrich Wesch und ihm selbst. Beeindruckend sind
nicht nur die vielen historischen Aufnahmen, sondern auch die 2011
entstandenen Luftbildaufnahmen Dossenheims. Rainer Loos, Cornelia
Wesch und Rosemarie Blaas dankten abschließend all’ denen, die die
Herausgabe dieser Chronik ermöglichten.
Wolfram Schmidt und Holger Haas beendeten den offiziellen Teil mit
ihren musikalischen Beiträgen, die wie schon zuvor die Zuhörer zum
“Swing” brachten, danach genossen die Veranstalter zusammen mit ihren
Gästen zum Ausklang Speis’ und Trank im Hof der Museumsscheuer.
Wer am Erwerb der erwähnten Luftbilder Interesse hat, kann diese zu
Beginn der üblichen kommunalpolitischen Treffen der Freien Wähler zum
Monatsanfang im Rathaus (19.30 Uhr) einsehen, die Termine werden in
den Gemeindenachrichten veröffentlicht. Im begrenzten Umfang können
dort auch Festschriften entgegengenommen werden.
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